Fast eine halbe Stunde hatte Kin geweint und war darauf erschöpft eingeschlafen. Noch immer hielt Kakashi seinen Sohn in den Armen und streichelte ihn. Er dachte über das Erlebte des Jungen nach. Naruto war damals wirklich sehr früh mit den Grausamkeiten des Lebens konfrontiert worden. Es musste eine schwere Zeit für den Jungen gewesen sein. Mit diesem Taki hatte er eine wichtige Person in seinem Leben verloren und niemand hatte ihm damals Beistand geleistet. Er musste dies alles ganz allein durchstehen.
Trauer und Wut kam in Kakashi auf. Erneut spürte er seinen Hass auf die Menschen, die verantwortlich dafür waren, dass Naruto ein so vereinsamtes Leben hatte führen müssen. Der Junge war doch nur ein unschuldiges Kind. Er konnte nichts für die Ereignisse, die ihm den Kyuubi beschert hatten. Und auch Kurama konnte nichts dafür. Warum musste das Leben immer so ungerecht zu denen sein, die nichts verbrochen hatten? Sein kleiner Engel und sein Fuchs. Jetzt hatten sie ihn, den Hatake. Er war ein Teil des Rudels geworden und er würde seine beiden Dämonen beschützen.
Mit diesem Gedanken schlief auch Kakashi ein.
Nicht einen Millimeter hatte sich Kurama gerührt, seid sein Sohn sich weinend an Kakashi geklammert hatte. Er war sein Gefangener seines Geistes geworden. Gedanken und eigene Erinnerungen zogen an seinem inneren Auge vorbei. All die Jahre, in welchen er in dem Jungen versiegelt war. Er hatte sich so einsam gefühlt, doch gestört hatte ihn dies weniger. Das Siegel war sehr stark gewesen und verhinderte den Kontakt zu dem Jungen. Auch bekam er nicht viel von dem mit, was sich außerhalb seines Gefängnisses abgespielt hatte. Nur selten waren die Emotionen des Jungen stark genug, um etwas durch das Siegel zu lassen. Und noch seltener konnte Kurama diese Momente mit positiven Emotionen verbinden.
Ein paar Male hatte er Bilder von einem Mann gesehen gehabt, zu dem der Name Taki gehörte. Diese hatte Naruto damals mit Freude verbunden gehabt. Dann kam die Angst und ein Meer aus Flammen. Er hatte nie begriffen, was genau der Junge gesehen hatte. Nur wenige Moment später verschwand die Angst und wurde durch Trauer ersetzt. Wieder hatte er das Gesicht von Taki gesehen. Danach hatte er viele Jahre nichts mehr zu sehen bekommen. Die Nächsten waren undeutliche Bilder von verschiedene Dorfbewohner, welche mit einem verängstigen Gefühl zusammen hingen. In der Zeit begann er auch öfter Personen zu spüren, welche sich in der Nähe des Jungen befanden. Kakashi war eine davon und auch, wenn er nicht sehen konnte, was passierte. Er konnte fühlen, wie der Mann seinen Sohn beschützt hatte. Er könnte hören, wie Kakashi mit dem Jungen redete, wenn dieser bewusstlos am Boden lag. Und dann kam Iruka. Mit dem Mann kamen endlich wieder einige positive Gefühle bei Kurama an.
Das Verhalten seines Sohnes am frühen Morgen konnte Kurama nun viel besser verstehen. Er hatte einen wichtigen Menschen verloren und es hatte nicht einmal etwas dem Hass der Dorfbewohner auf ihn zu tun.
>>Und ich rede noch davon, wie viel einfacher das Leben ist, wenn man manche Dinge einfach mit Humor nimmt. Den Tod kann man nicht mit Humor nehmen.<< Innerlich seufzte Kurama auf und hoffte, dass da nicht noch mehr schreckliche Ereignisse aus Narutos Leben waren, von denen er nichts mitbekommen hatte.
Es klingelte an der Tür und der Fuchs sah auf. Da seine Jungs beide unbekümmert weiterschliefen tapste er auf den Eingang zu. Er konnte definitiv Asuma auf der anderen Seite wittern und er war nicht allein. Der Hokage war bei ihm und auch Iruka. Mit einem Satz war er auf die Türklinge gesprungen und nutzte nun sein ganzes Gewicht, um diese weit genug herunter zu drücken. Es klickte kurz und die Tür schwang einen Spalt auf. Nachdem er sich wieder fallengelassen hatte steckte er seine Schnauze in den kleinen Spalt und stupste er die Tür ganz auf.
Verwundert starrten die Drei zunächst ins Leere, bis Asumas Blick auf den Fuchs fiel und er verstand, wer ihnen die Tür geöffnet hatte.
„Ach Kurama hat uns geöffnet.“, sprach er und deutete auf das Tier neben der Tür, woraufhin auch die anderen Beiden den Dämon bemerkten.
Mit Dackelblick und leicht schief gelegtem Kopf schaute er auf die drei Besucher vor der Tür und hoffte, dass diese auf die Idee kamen, die Wohnung von allein zu betreten. Bitten konnte er sie ja schlecht, wenn die Gefahr bestand, dass ein unbefugter dies mitbekommen konnte. Sein Blick musste genügen und seine stumme Bitte wurde erhört. Nacheinander betraten sie die Wohnung und Iruka schloss als letzter im Bunde die Tür hinter sich.
„Hallo erst mal.“, grüßte der Fuchs schließlich, als die Tür ins schloss gefallen war.
„Hallo Kurama.“, grinste Asuma und hob sich den Fuchs auf die Schulter, damit sie alle auf etwa gleicher Augenhöhe waren. „Wo hast du den dein Rudel gelassen?“ Diesen Ausdruck hatte der Mann absichtlich gewählt und sowohl seinen Vater, wie auch Iruka verwirrt. Beide hatte bislang keine Details von ihm erfahren und hatten dementsprechend auch keine Ahnung, wie genau Asumas Worte gemeint waren.
„Die liegen auf dem Sofa und schlafen. Sie haben nicht mal auf die Klingel reagiert.“, antwortete der Fuchs und wandte seinen Kopf in die Richtung des Wohnzimmers, zu welchem sich Asuma darauf auch auf den Weg machte.
„Uff.“, kam es von Iruka und er war erstaunt. „Was habt ihr den angestellt, dass Kin auf dem Sofa einschläft? Der Kleine wird doch sonst nicht so schnell Müde.“, merkte er an, als er den Anderen folgte.
„Das erfährst du gleich alles.“, kam es von Kurama, während er aufs Sofa sprang und Kakashi durchs Gesicht schleckte. Murrend drehte dieser den Kopf zur Seite und kommentierte den Weckversuch mit einem „Boah, Kurama! Verzieh dich.“ Ein leises Kichern folgte vom Fuchs und auch die anderen Anwesenden mussten schmunzeln. „Jetzt passt mal genau auf!“, verlangte der Bijuu und weckte darauf seinen Sohn auf die gleiche Art. Kins Reaktion war zu 100% identisch mit Kakashis. Die gleiche genervte Ausdruck im Gesicht, die gleiche murrende Reaktion und sich Abwenden. Die gleichen Worte, nur in kindlicher Tonlage: „Boah, Kurama! Verzieh dich.“
Jetzt mussten sie alle Lachen. Alle, bis auf die zwei verdattert dreinschauende Hatake, die jetzt erst bemerkten, dass sie nicht mehr allein in der Wohnung waren. „Wo kommt ihr denn auf einmal her?“, wollte Kakashi im Halbschlaf wissen und setzte sich auf.
„Von draußen? Kurama hat uns reingelassen.“, kicherte Asuma und bewegte sich zum Fenster, um dies zu schließen. „Kakashi, du musst besser auf deine Wohnung aufpassen. Hier drin ist es viel zu kalt.“, tadelte er den Hatake und drehte anschließend die Heizung auf.
„Tz… Weichei. Mach doch die Heizung an, wenn dir kalt ist.“, kam es darauf von Kakashi. Beleidigt verschränkte er die Arme vor der Brust und dachte an das Gespräch beim Frühstück, wo Kin ihn bereits darauf hingewiesen hatte, dass sie diesbezüglich mehr aufpassen mussten. Wie sehr der Junge doch recht hatte.
„Musst trotzdem besser aufpassen. Wenn es bei euch immer so kalt ist, dann muss ich Sora leider verbieten zum Spielen herzukommen. Und sie freut sich jetzt schon riesig, dass Kin wieder da ist, da kann ich ihr das nicht antun.“ Kakashi blieb von Asumas Worten unbeeindruckt, während Kin knallrot anlief. Dem Jungen war sofort die Erinnerung in den Sinn gekommen, wo Sora ihm den Kuss auf die Wange gegeben hatte – und bei diesem Einen war es ja nicht geblieben. Sie hatte sich zwei Tage später mit genau der gleichen Geste von ihm verabschiedet.
„WAS?! Schon nach 16 Uhr?“, rief Kakashi neben Kin aus, als sein Blick auf die Uhr viel. Er war sprachlos. Das konnte doch nicht sein, dass sie so lang geschlafen hatten. „Wir haben fast fünf Stunden geschlafen.“, stellte er erschreckend fest.
„Das kann heute Nacht ja was werden.“, wollte eigentlich Iruka gerade sagen, doch Kin kam ihm zuvor und benutzte genau den gleichen Wortlaut. Überrascht sah er den Jungen an. War das wirklich noch der kleine Junge, wie vor zwei Wochen? Etwas an ihm schien anders.
„Kannst ja einkaufen gehen, dann bekommst noch etwas Bewegung.“, schlug Kakashi vor und bekam ein hinterhältiges Grinsen, während er zu Asuma schielte. „Asuma geht sicher gern mit dir in die Kälte raus.“, kicherte er darauf und hob abwehrend die Arme, als der Ältere mit einer Kabbelei begann. „Ach, tue ich das? Und was machst du, wenn ich fragen darf.“
Da Kakashi derzeit unfähig war zu antworten – Asuma hatte ihn ins Sofa gedrückt und kitzelte ihn kräftig durch – beschloss Kin auf die Frage zu antworten: „Meine Väter erzählen, was die letzten zwei Wochen alles passiert ist. Und was ich euch beiden heute morgen erzählt habe, dürft ihr auch erzählen, aber erst wenn wir wieder da sind.“ Darauf verschwand der Junge kurz in seinem Zimmer und anschließend in der Küche.
Der Hokage und auch Iruka waren von der Wortwahl überrascht gewesen und auch von der Tonlage. Das war eindeutig kein 4jähriger gewesen, der da eben gesprochen hatte. Auch war ihnen aufgefallen, das Kin von seinen Vätern geredet hatte, womit er Kakashi und Kurama gemeint haben musste. Wusste der Junge etwa, das auch Kurama sein Vater war? Die eher ruhige und gelassene Art, mit welcher sich der Junge bewegte, war auch nicht mehr mit dem übermäßig aktiven Jungen von vor 2 Wochen zu vergleichen. Irgendetwas musste passiert sein, während sie auf ihrer Mission waren.
In Turnschuhen und einer dicken blauen Jacke bekleidet kam Kin schließlich zurück. Einen dünnen Schal hatte er sich um den Hals gewickelt und eine blaue Mütze trug er auf dem Kopf. Auf seinem Rücken hatte er bereits seinen Rucksack und in der Hand den Einkaufszettel.
„Und ich werde als Kind bezeichnet.“, meinte der Junge, als er Kakashi und Asuma noch immer rumblödeln sah. Das hatte er in den letzten Tagen öfter gesehen. Sonst ging Asuma jedoch immer als Sieger aus den Kabbeleien hervor. Nun schien Kakashi am längeren Hebel zu sitzen. >>Tja, ein Vorteil des Dämonenpaktes.<<, dachte sich Kin und musste grinsen.
Nur wenige Minuten später war er dann auch mit Asuma unterwegs.
Mit einem Tablett in den Händen betrat Kakashi das Wohnzimmer. Er hatte Tee gemacht, während Kurama zunächst damit begonnen hatte, den Hokage und auch Iruka über die Dämonen aufzuklären. Dies hatte der Fuchs auch schon zu Anfang ihrer Reise bei Asuma und Kakashi getan. Anschließend ging er dazu über nochmal zu berichten, wieso er eigentlich das Dorf angegriffen hatte.
„Dann kannst du selbst also gar nichts dafür. Du bist auch nur ein Opfer und wurdest zum Sündenbock erklärt, weil es einfach niemand besser wusste.“, stellte Iruka darauf fest und blickte traurig aus dem Fenster. Er konnte den Fuchs nicht ansehen, nicht im Moment. „Eine lange Zeit habe ich dich gehasst. Meine Eltern sind auch damals an diesem Tag gestorben. Sie hatten versucht das Dorf zu beschützen. Ich wusste zwar, dass du in Naruto drin warst, aber ich hab nie dem Jungen die Schuld gegeben. Für Naruto habe ich meinen Hass auf dich irgendwann beiseite geschoben, um mich ganz auf unseren kleinen Wirbelwind zu konzentrieren.“, gestand Iruka dem Fuchs und schaffte es nun auch endlich wieder zu diesem zu sehen.
Als nächstes Berichteten sie von der Begegnung mit dem Reh und den Banditen einige Tage später. Sowie von der erneuten Begegnung am Tag darauf und den Blutrausch, in welchem der Junge gefallen war.
„ … und seitdem kann Kin sich auch wieder an alles erinnern, was mit Naruto zusammen hängt. Dass er sich etwas anders verhält ist euch sicher nicht entgangen. Er hat die Erinnerungen, das Wissen und den Verstand eines 12jährigen. Er ist zudem viel schlauer, als wir es früher immer angenommen hatten. Warum er dies jedoch versteckt hat, wissen wir bisher nicht.“, schloss Kakashi den Bericht und betrachtete zwei fassungslose Gesichter. Weder der Hokage noch Iruka hatten ihn bisher unterbrochen gehabt. Sie waren viel zu geschockt von dem, was sie gehört hatten. Kins Blutrausch, bei dem dessen dämonische Gene mit dem Jungen durchgegangen, und dass der Junge dabei sogar getötet hatte, waren schon nicht einfach zu verdauen gewesen. Das der Kleine nun aber auch über sämtliche Erinnerungen von Naruto verfügte war zu viel gewesen. Beide wussten, was dies zu bedeuten hatte. Kin konnte sich nicht nur an sein Leben als Naruto erinnern. Er konnte sich auch an seinen Tod erinnern.
In einem anderen Teil der Stadt waren Kin und Asuma mit dem Einkauf beschäftigt. Die Thermometer hatten sie bereits zuvor in einem anderen Laden gekauft. Nun befanden sie sich in einem Lebensmittelgeschäft und sammelten die Dinge zusammen, welche von Kakashi auf dem Zettel notiert worden waren. Einige Dinge wurden Kin dabei von Asuma gezeigt, welche von Sora und Konohamaru gern gegessen wurde. Diese wurden auf direkt mit eingepackt, denn Kin musste ja auch wissen, was die Gleichaltrigen so aßen.
Eine Frau mit langen dunklen Haaren und roten Augen kam aus einem der vielen Gänge des Ladens und kam sofort auf die Beiden zu, als sie Asuma erblickte „Asuma, du bist wieder da.“, lächelte sie und umarmte den Mann. Ein Kuss folgte, welchen sie sehr zu genießen schien.
Es dauerte einige Momente, bis Asuma sich wieder von ihr lösen konnte und sie auf den kleinen Zuschauer aufmerksam machte. „Wir sind nicht allein.“
„Nanu, wer bist du den?“, fragte sie an den kleinen schneeblonden Jungen gewandt, welche die Beiden Erwachsenen genau beobachtete.
„Ich heiße Kin.“, antwortete der Junge und sah dabei fragend zur Frau auf.
„Hallo Kin, ich heiße Kurenai.“, stellte diese sich nun auch vor und streichelte Kin über den Kopf. „Ist ja niedlich, der Kleine. Wo hast du denn den auf gegabelt?“, wollte sie anschließend von Asuma wissen. Eine Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Das ist Kakashis Sohn.“
„Da hätte ich auch selbst drauf kommen können.“, meinte sie darauf und sah wieder zu dem Jungen hinunter. „Du sieht genauso aus wie dein Vater, aber deine Augen finde ich noch viel hübscher.“, gestand sie und tippte mit ihrem Zeigefinger auf seine Nase.
>>Schon wieder wurde ich als niedlich bezeichnet. Das sag in letzter Zeit echt viele. Ob ich mich jemals daran gewöhne, mich wie ein kleines Kind zu benehmen und von anderen auch so behandelt zu werden?<<, fragte sich Kin in Gedanken und ließ sich nach außen hin wie immer nichts anmerken.