Einige Minuten hatte es gedauert, bis Kin sich hatte überwinden können, doch nun war es raus. Er hatte den Namen ausgesprochen und sie wussten nun, wen er gesehen hatte. Wen ER für den Mörder hielt. Doch war Mizuki es auch? Sicher war der Junge sich da nicht mehr, weshalb er hoffte, dass der Lehrer nicht sofort verhaftet wurde. Er wollte keinen Unschuldigen mit seiner Aussage hinter Gitter bringen.
Seinen Blick hatte Kin noch immer auf Iruka liegen. Der erwartete Schockzustand war anders ausgefallen, als zuvor angenommen. Äußerlich zeigte sich bei dem Mann gar keine Reaktion. Innerlich war der Schock dafür um so größer. Die Zeit schien für ihn stillzustehen, während sein Verstand größte Mühe damit hatte, den Sinn hinter Kins Worten zu begreifen.
Fasziniert betrachtete der Junge nun die Reaktionen der anderen Erwachsenen. Er hatte mit vielem gerechnet, vor allem Schock und Entsetzen, doch sie reagierten alle recht unterschiedlich – und doch irgendwie gleich. Einzig Kurama fiel aus der Reihe, denn dieser lag recht entspannt auf dem Sofa und schien die Ruhe selbst. Er dachte über die Worte seines Sohnes nach und musste Kin recht geben. Instinkte waren nicht so einfach zu täuschen – vor allen nicht die Dämonischen – und wenn sie bei Mizuki nicht reagierten, dann war da wirklich etwas Faul.
Ähnlich ruhig und nachdenklich reagierte der Hokage. Zudem stand ihm noch deutliche Sorge ins Gesicht geschrieben. Bei Asuma war als einziges die erwartete Reaktion zu erkennen, jedoch lag es bei diesem Mann mitunter auch an etwas anderem. Mizuki war der Klassenlehrer von seinem Neffen und er wusste, wie sehr die Kinder ihren Sensei liebten.
Überwiegend geschockt betrachtete Kakashi seinen Sohn, da er diesen am Vormittag noch mit Mizuki reden sah. Der Junge hatte wirklich mit seinem Mörder geredet, als ob nichts vorgefallen wäre. Nun verstand er aber auch, warum Kin kurzzeitig nervös und angespannt gewesen war, als Mizuki ihm begegnete. Wobei er sich wunderte, dass er danach wieder die Ruhe selbst war und problemlos das kleine unwissende Kind spielen konnte. Er selbst hätte das nicht gekonnt, da war sich Kakashi sicher.
Einige Minuten vergingen, in welche alle Erwachsenen ihren Gedanken nachgingen. Auch bei Iruka zeigten sich langsam die ersten Regungen. Offenbar begann er zu begreifen, dass Kin seinen besten Freund neben Kakashi des Mordes beschuldigte. „Bist du dir sicher?“, wollte er nach einigen Momenten wissen, da er noch immer nicht glauben konnte, dass Mizuki es gewesen sein soll.
„Ich bin mir zu 100% sicher, dass ich ihn gesehen habe.“, bestätigte Kin und war eindeutig von seinen Worten überzeugt. Er wusste, was er gesehen hatte. Danach wechselte er jedoch zu einer unsicheren nachdenklichen Haltung. „Aber ich kann nicht sagen, ob er es wirklich war. Wie gesagt: Meinem Gefühl nach hat er mir bis heute nie etwas getan, was ich von vielen anderen im Dorf nicht behaupten kann.“ Kin war deutlich anzusehen, wie wenig er an Mizukis Schuld glaubte. In Gedanken suchte er weiterhin nach dem Grund, warum er den Lehrer gesehen hatte, obwohl dieser es seinem Gefühl nach nicht war. Mehrere Szenarien waren ihm bereits durch den Kopf gegangen, doch die Meisten hatte er bereits wieder verworfen.
„Ich glaube auch nicht, dass Mizuki es war. Nein, ich weiß, dass er es nicht war!“, verteidigte Iruka den Mann und schien nun sehr von seinen Worten überzeugt. Er kannte seinen Freund gut genug um zu wissen, dass dieser es auf keinen Fall gewesen sein konnte.
„Iruka hat recht. Mizuki kann es nicht gewesen sein, dazu ist er genetisch bedingt gar nicht fähig.“, meldete sich nun auch der alte Sarutobi wieder zu Wort.
„In wie fern?“, kam sowohl von den beiden Hatake, wie auch von Asuma. Alle drei starrten den alten Mann verwundert an, während Iruka zu wissen schien, was der Alte damit gemeint hatte.
Mit geschlossenen Augen dachte der Sandaime einige Momente nach. Auch der Grund für Mizukis Unschuld war eines der vielen Geheimnisse, die er als Hokage zu bewahren hatte. In diesem speziellen Fall würde er jedoch eine Ausnahme machen. Er wollte unbedingt wissen, wer für Narutos Tod verantwortlich war und ob es vielleicht noch einen anderen Grund dafür gab, als die Tatsache, dass der Junge ein Jinchuuriki war. Am Besten helfen konnten ihm diejenigen, welche die Wahrheit über Naruto und Kin kannten und ihnen würde er alle notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Sogar ein Geheimnis, wenn es sein musste.
„In Mizukis Blutlinie existiert ein Erbe, welches die Träger mit dem Erwachen zu den extremsten Killern werden lässt. Jeder von ihnen wurde zu einem herausragenden ANBU. Ganz selten jedoch, wie in Mizukis Fall, wirkt es sich genau umgekehrt aus.“, begann er zu erklären und versuchte kurz gedanklich die wichtigsten Details zusammen zu fassen, bevor er sie mitteilte: „Seit sein Bluterbe erwacht ist, ist er unter anderem nicht mehr fähig zu töten, weshalb wir ihn von den Missionen ausschließen mussten. Statt zu einem Killer zu werden, wurde Mizuki zu einem Wächter. Sein speziell ausgeprägter Beschützerinstinkt ist sehr stark auf Kinder fixiert. Für den Schutz eines Kindes würde er alles tun, weshalb wir ihn zu einem Lehrer gemacht haben.“
„Kami sei Dank!“, seufzte Kin erleichtert auf und ließ sich erneut nach hinten fallen, worauf er von seinem Vater umarmt wurde. „Dann kann er es wirklich nicht gewesen sein. Ich hatte schon angst, dass ich mit meiner Aussage jemanden schade, der vielleicht doch unschuldig ist.“
„Mizuki ist definitiv unschuldig. Mach dir keine Sorgen, ihm wird nichts passieren.“, sprach der Alte mit einem Lächeln und wurde kurz darauf wieder ernst. „Es muss allerdings einen Grund dafür geben, warum der wahre Täter ausgerechnet Mizuki als Mörder dastehen lassen wollte. In dem Fall wäre Mizuki der Schlüssel zum Täter. Grundlos hängt man niemanden einen Mord an, da muss mehr vorgefallen sein, als nur eine unbedeutende Kleinigkeit.“
„Mizuki hat noch nie mit jemanden Probleme gehabt. Er kam immer mit jedem gut klar. Sein Bruder Mizaki ist da das genaue Gegenteil gewesen. Ständig auf Konfrontationskurs mit allem und jedem. Er würde in die Täterrolle gut reinpassen, schon allein, weil er Naruto schon immer gehasst hat.“, erzählte Iruka diesmal und wurde vom Fuchsrudel und Asuma interessiert angestarrt. Hatten sie jetzt vielleicht doch einen möglichen Täter? Iruka bemerkte die Blicke natürlich und so Leid es ihm auch tat, diese Hoffnung musste er direkt zerstören: „Allerdings ist Mizaki schon seid Jahren tot, womit wir ihn auch ausschließen können.“, setzte er nach und ein einheitliches Seufzen erklang von allen anderen – außer dem Hokage, denn dieser wusste natürlich, dass Mizaki nicht mehr am Leben war.
Für einige Minuten trat eine drückende Stille ein, in welcher Kin erneut über den Täter nachdachte. Kakashi war in die Küche gegangen um neuen Tee zu machen, weshalb die Stille zunächst auch nicht unterbrochen wurde. Erst als der Hatake wieder ins Wohnzimmer, wurde sie durch eben diesem aus dem Raum verbannt: „Kommt Zeit, kommt Rat. Wir werden denjenigen schon finden.“, sprach er und wollte damit den Jungen etwas entlasten.
Allerdings hatte er nicht mitberechnet, dass sich ins Kins Kopf schon wieder einige neue Theorien gebildet hatten. Er saß im Schneidersitz auf dem Sofa und stützte seinen rechten Ellenbogen auf dem Bein ab, während er seinen Kopf mit der dazugehören Hand abstützte. „Mir macht mehr Sorgen, dass er mich zuerst finden könnte.“, deutete der kleine Engel an und starrte nachdenklich vor sich hin.
Durch diese Aussage waren die Erwachsenen ein weiteres Mal an diesem Abend verwirrt und diesmal schien auch Kurama darauf zu reagieren, den er hob den Kopf und beobachtete seinen Sohn einen Moment ehe er fragte: „Wie kommst du jetzt darauf?“
Routiniert streichelte Kin über das Fell seines Fuchspapas. Er achtete nicht wirklich darauf, was er tat und hatte bisher auch nicht wirklich registriert, was er da tat. Seine Aufmerksamkeit war ganz seinen Gedanken gewidmet – und nur minimal seiner Umgebung, damit er nichts verpasste. Langsam begann er zu erzählen, welche Fragen und Gedanken ihm im Kopf herumspukten: „Wir wissen nicht, wer es war und was genau er von mir wollte. Oder ob ich überhaupt der Grund für die Tat war.
Wenn er speziell Mizuki schaden wollte, dann könnte ihm auch egal gewesen sein, was danach aus mir geworden ist. In dem Fall wäre ich nur ein Bauernopfer gewesen, dass eh keiner vermisst hätte. Allerdings hat er sein Ziel mit Mizuki nicht erreicht, weshalb er erneut versuchen könnte ihm zu schaden. Ich diesem Fall denke ich nicht nur an Mizuki, sondern auch an seine Freundin, die damit ebenfalls in Gefahr wäre.
Umgekehrt, wenn ich das Ziel war, dann wäre Mizuki ein ideales Bauernopfer gewesen, mit dem er sich selbst hätte verschleiern können ohne der Person zu schaden – vorausgesetzt, er wusste, dass Mizuki für uns nicht als Täter in Frage kommt. In diesem Fall wäre die Frage: Was wollte er von mir? Hat er mich einfach nur gehasst, weil ich Kurama in mir hatte? Oder war er vielleicht sogar hinter Kurama selbst her? Oder etwas ganz anderes? Zudem könnte er mitbekommen haben, wie ich zu Kin wurde, ohne das ihr es bemerkt habt. Wenn dem so sein sollte, könnte er es durchaus nochmal versuchen.“
Während Kin seine Gedanken aussprach, hatte sie nicht gewagt den Jungen zu stören. Stattdessen dachten sie über seine Worte nach und mussten sich eingestehen, dass sie selbst sich viel zu wenig damit beschäftigten.
„Was du dir an Gedanken machst, ist schon nicht mehr normal. Pass bloß auf, dass du nie vor anderen so erwachsen redest. Wenn dein Verstand auf Hochtouren arbeitet, machst du sogar dem Nara-Clan Konkurrenz.“, gab Asuma zu bedenken und hatte damit durchaus recht.
Kin war derzeit ein 4jähriger und musste aufpassen, dass er nicht zu viel Verstand vor anderen zeigte. Doch dies war dem Jungen natürlich klar. Immerhin hatte er die letzten Jahre über immer sehr professionell den Trottel dargestellt, obwohl er schon immer recht schlau war. Er hatte auch schon eine starke Vermutung, woher seine enorme Intelligenz kam: „Tja, schlau wie ein Fuchs. Das sind halt Kuramas Gene, die hin und wieder bei mir durchkommen.“
Mit einem typisch frechem füchsischen Grinsen wuschelte er Kurama über den Kopf. Ein Kommentar gab der Fuchsdämon nicht dazu ab. Er tat es weder bestätigen noch widerlegte er es. Stattdessen grinste er wie Kin vor sich hin und ließ die Menschen denken, was sie wollten.
Ein weiteres Mal schweifte Kin gedanklich zu seinem Tod ab. Während er all seine Fragen und Überlegungen ausgesprochen hatte, war ihm noch eine andere Sache aufgefallen, welche er nun noch klären wollte: „Was habt ihr eigentlich gesagt, was mit meinem Körper passiert ist? Ist schließlich auffällig, wenn man behauptet jemand sei tot, aber es gibt keine Leiche.“
Die Erklärung dazu bekam Kin von Kurama: „Der Yondaime hatte ein Schutzsiegel innerhalb des Siegels untergebracht, welches mich in dir gefangen hielt. Durch deinen Tod wurde dies ausgelöst und hat deinen Körper vom Dorf weggebracht, bevor ich ausbrechen konnte.“
Auch Asuma hatte gespannt zugehört, weil dies damals in den Details nicht vorgekommen war. Sarutobi Senior ergänzte die Worte des Fuchses nochmal um einige Weitere: „Minato war für sein Hiraishin no Jutsu bekannt und sie haben es auf jeden Fall geglaubt. Danzo hat sofort nach der Versammlung an dem Abend seine halbe ANBU Root ausgesandt, um nach deinem Körper und dem Kyuubi zu suchen.“, sprach der Sandaime mit einem Grinsen, weil er sich an das Gesicht des ANBU Führers erinnert hatte. Den Blick würde er im Leben nicht vergessen! Zu schade, dass er davon kein Bild gemacht hatte, dann hätten sich jetzt auch die Anderen darüber amüsieren können.
Der Knirps schaffte dies auch ohne Bild und kicherte fröhlich vor sich hin. „Danzo die Pfeife!“, sprach er und fing nun richtig an zu lachen. Er mochte den Mann nicht und freute sich riesig, dass sie ihm einen Dämpfer hatten verpassen können. Taki hatte ihn damals vor Danzo gewarnt und somit wusste Kin von der machthungrigen Persönlichkeit des ANBU Chefs. Auch das dieser ihn wohl gern als Waffe eingesetzt hätte, war dem Jungen bekannt.
„Aber nette Idee, wie seid ihr darauf gekommen?“, wollte er dann schließlich wissen, nachdem er sich endlich wieder etwas beruhigt hatte.
„Das ist keine Idee gewesen, sondern wieder einmal verbogene Wahrheit.“, begann Kurama zu erklären. Leicht umstrukturierte Wahrheiten gab es in Kins Leben ja genug, womit der Junge mit diesem Prinzip zu genüge vertraut war. „Das Siegel gab es wirklich. Als du gestorben bist, ist Minato in deinem Inneren erschienen. Ein Teil von seiner Seele war ebenfalls in dir versiegelt – für den Notfall. Ich hab kurz mit ihm geredet und ihm die Situation erklärt, worauf er dann den Schutz deaktiviert hat und mich raus ließ, damit ich auf unserer Sohn aufpassen kann. Ein Teil von ihm ist noch immer in dir drin.“
Darauf staunte Kin nicht schlecht. „Dann habe ich es also beiden Vätern zu verdanken, dass ich jetzt hier bin – und sogar noch einen dritten Vater bekommen habe.“ Beim letzten Teil seiner Aussage lächelte er Kakashi an, welcher ihm grinsend durch die Haare wuschelte. Er hatte mehr Väter in seinem Leben als andere und JEDER von diesen dreien hielt zu ihm. Was wollte er mehr? Fürs erste nur eines: „Aber … Könnten wir jetzt bitte das Thema wechseln, ich hab für heute echt keine Lust mehr über meinen Tod nachzudenken.“
Der traurige und auch leicht genervte Blick war den Erwachsenen nicht entgangen und es war nur zu verständlich, das der Junge irgendwann keine Lust mehr auf dies Thema hatte. So reif sich Kin geistig auch verhalten konnte, er war noch immer ein Kind.
„Ein Kind sollte sich allgemein keine Gedanken darüber machen.“, sprach der Hokage in verständnisvollem Ton.
Mit seinen nächsten Worten überraschte Kin die Älteren dann aufs neue: „Wäre ich von Anfang an besser behandelt worden, hätte ich auch nicht so früh damit anfangen müssen.“, sprach der Junge mit einem traurigen Unterton und wagte es in dem Moment nicht überhaupt jemanden anzusehen.
Dies war eindeutig ein Vorwurf gewesen, was speziell Kakashi etwas verblüffte. So oft sie sich in der letzten Zeit auch unterhalten hatte, seit Kin seine Erinnerungen zurück hatte, der Junge hatte ihnen bisher nie etwas vorgeworfen. Auch in ihm kam nun ein leicht trauriges Gefühl auf, denn er wusste mit am Besten, wie der Junge in all den Jahren gelitten hatte. Wie oft hatte er Naruto beobachtet? Wie oft hatte er ihn weinen sehen und trotz des Verbotes trösten wollen? Viel zu oft! Wann hatte der Junge wohl angefangen sich mit der Thematik auseinander zu setzten? Erst nach seinem eigenen Tod und der Rückkehr seiner Erinnerungen? Oder war es schon davor?
„Wie lang denkst du denn schon darüber nach?“, fragte er schließlich und betrachtete Kin weiter. Die Augen hatte der Junge leicht geöffnet und sein Blick hing auf dem Fußboden. Man konnte ihm die Traurigkeit deutlich ansehen, doch für Kakashi war da noch etwas anderes. Er konnte sie fühlen, die Trauer – und es war nicht seine eigene, da war er sich jetzt sicher. Er spürte in diesem Moment Kins Gefühle.
„Seit Takis Tod.“, hatte Kin nach kurzer Zeit geantwortet und eine einzelne Träne suchte ihren Weg über seine Wange.